Die Sache mit der Beerdigung

19. Februar 2023 | Allgemein, Identität, Verfügungen, Werte

„Papa, welche Musik soll eigentlich auf Deiner Beerdigung gespielt werden?

Diese Frage stellte sich für die Familie am Anfang des gemeinsamen Gespräches noch nicht und, um ehrlich zu sein, rechnete an diesem Tag auch niemand damit.

Wenn es um das Sterben anderer Menschen geht, ist es für uns oft sehr interessant, wo und wie die Beerdigung stattfindet. Die vor kurzem verstorbene Rosi Mittermaier ist im engsten Familienkreis in aller Stille und ohne Kameras beigesetzt worden. Im Gegensatz dazu denken Sie nur an das Staatsbegräbnis von Queen Elisabeth II. Deren Abschied dauert mehr als 4 Tage und wurde in der ARD als Jahrhundertereignis bezeichnet. Millionen Menschen konnten am Fernseher life dabei sein.

Und wie steht es um die Modalitäten anlässlich unseres eigenen Todes?

Vor einigen Jahren verabredet sich die Familie auf Initiative der Tochter Karin am Küchentisch des Hauses ihrer Eltern in einem kleinen Dorf am Fußes des Hohen Meißner im Nordhessischen. Die Mutter hat noch Stühle aus dem Esszimmer dazu holen müssen, denn heute sind alle da: die drei Kinder nebst Schwiegerkindern und sogar zwei der fünf Enkel sind dabei.

Die Frage nach der eigenen Beerdigung ist eine sehr persönliche

Karin hat mich eingeladen, um zu klären, wer sich eigentlich kümmern soll und kann, wenn fortschreitendes Alter oder Krankheit die Eltern hindert, für sich selbst zu sorgen. Die Stimmung ist gedrückt und erwartungsvoll gespannt. Der Vater versteht den ganzen Aufwand nicht so richtig, fügt sich aber und schweigt. Wir reden lange darüber, wann und wie Vollmachten notwendig und sinnvoll sind, wer welche Verantwortung haben kann und ob er sich das zutraut und schafft.

Dann, nach circa einer Stunde, fällt eine meiner Fragen in die Runde, wie die Lampe von der Decke: „Wissen Sie, wo und wie Sie beigesetzt werden möchten, wenn Sie sterben?“

Diese sehr persönliche Frage, das spüren alle Anwesenden sofort, muss bei den Eltern erstmal ankommen und wirken. Die Eheleute schauen sich an, die Mutter ergreift als erste das Wort. „Na, Friedrich, bei uns auf dem Friedhof hier, oder? Wo sollen wir denn sonst hin?“ Der Vater schweigt und überlegt. Man kann das Ticken der Uhr über der Küchentür plötzlich laut hören. Schweigen.

Erdbestattung, Urne oder Friedwald

Die älteste Tochter hakt ein. „Du kannst auch im Friedwald beigesetzt werden, Papa. Wir haben dort schon einen Baum für uns gekauft, da passen fünf Leute ran. Vielleicht ist das ja was für Euch!“ Der Vater blickt auf. „In diesem Dorf hier bin ich geboren und hier werde ich sterben! Ich will nirgendwo anders hin. Ich will verbrannt werden, so viel steht fest!“

Quelle: Istock

Die Überraschung einiger Familienmitglieder wird sichtbar. Ein Enkel fragt: „Was gibt es denn da sonst noch so?“  Sein Großvater ignoriert die Frage. Er hat gerade eine klare Vorstellung und schaut seine Frau an. „Wie hieß nochmal dieses Lied, fragt er, das Eine von unserer Hochzeit? Das will ich! Das soll gespielt werden!“ Er schaut mich fragend an. „Geht das? Kann ich das sagen?“ Ich bestätige ihm, dass er alles festlegen kann, was für ihn wichtig ist. Seine Frau lacht auf. „Du willst Händel auf Deiner Beerdigung? Na, hoffentlich spielt Clara die Orgel!“

Der Dudelsackspieler auf Schloss Windsor

Fünf Jahre später bin ich wieder an den Tisch eingeladen. Die Kinder sind wieder da, die Enkel nicht. Die studieren mittlerweile in München und Bamberg. Auch der Vater fehlt, er ist vor drei Jahren gestorben. Die Familie erzählt mir von ihrem Verlust und die älteste Tochter sagt plötzlich mit Tränen in den Augen: „Dass der Papa damals gesagt hat, er wolle verbrannt werden, das hat mich umgehauen. Das war so schön, dass wir wussten, was er wollte! Und dann das mit der Musik! Was war das, Händel?“ „ Ja“, sagt die Mutter, „und was habe ich Euch gesagt? Clara hat die Orgel gespielt!“

Denke ich an die Beerdigung von Queen Elisabeth II, erinnere ich vor allem an den schottischen Dudelsackspieler, der sie nicht nur im Leben begleitet hat, sondern ihr auch das letzte Geleit gab. Die letzte Kameraeinstellung zeigt ihn von hinten, wie er spielend die Kirche in Windsor verlässt.

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